Warum Prävention in unserer Gemeinde ?

Als die neue Präventionsbeauftragte unserer Gemeinde möchte ich mich kurz vorstellen.

Seit meinem Wiedereintritt in die evangelische Kirche vor beinahe 30 Jahren bin ich Mitglied der Paulus- Gemeinde. Meine Kinder wurden hier getauft und konfirmiert, wir haben uns hier immer zu Hause gefühlt. Nie gab es auch nur den Schimmer einer vermeintlichen Gefahr von sexualisierter Gewalt. Womit ich beim Thema bin.

In meiner Arbeit als Anwältin wurde ich durch die erlebten Nöte von Mandant*innen zur Mitwisserin und musste mich beruflich mit der strafrechtlichen und der sozialrechtlichen Seite dieses Themas befassen. Ich habe für Mandant*innen, die zu Opfern geworden waren, Erwerbsunfähigkeitsrenten, Opferentschädigung und Entschädigungen aus dem Heimfonds erfochten. Als Anwältin habe ich Opfer vor dem Kriminalgericht vertreten.

Zwar fehlt es mir nicht an der professionellen Distanz. Nur lässt es mich nicht unberührt, wenn ich von den Opfern erfahre, dass ES nie vorbei ist.

Strafrechtlich hat sich durch den Verlust des Sichschämenmüssens für die Opfer einiges positiv verändert. Die Ansichten der Gesellschaft haben sich gewandelt, weil - viel zu spät -  klar wurde, nicht die Opfer, sondern die Täter und das Umfeld trifft Schuld. Verjährungsfristen wurden verlängert, Strafrechtsvorschriften verschärft. Die Täter können leichter überführt und bestraft werden. Dies ändert nichts daran, dass Opfer lange unter den seelischen Folgen leiden. Inzwischen wurden in Berlin mehrere Gewaltambulanzen eingerichtet. Innerhalb der Gemeinden gilt es, den Focus vor allem auf die Prävention zu richten, denn jedes Opfer ist eines zu viel.

Die ungezählten Fälle, die nunmehr auch in unserer evangelisch – lutherischen Kirche von Opfern bekannt gegeben wurden sind ein Anzeichen dafür, dass die Vertrautheit im Umgang miteinander leider auch negative Folgen haben kann und eben auch hatte. Wir sind als Protestanten nicht länger auf der "guten" Seite. Das hat die Verantwortlichen im Kirchenkreis aufgeweckt und – besser spät als nie – für dieses Thema sensibel gemacht.

Zahlreiche Grundsatzfragen im Umgang und zur Prävention vom sexualisierter Gewalt wurden in einen Verhaltenskodex gepackt. Dieser gilt auch in unserer Gemeinde. Quellen zum Thema finden sich auf der Seite des evangelischen Kirchenkreises Tempelhof- Schöneberg unter:  https://www.ts-evangelisch.de/helfen/praevention.

Den dort festgelegten Grundsätzen fühle ich mich verpflichtet. Sie stellen die Prävention in die Aufgaben der Gemeinde und sehen die Intervention eher bei außen stehenden speziell geschulten Fachkräften. Und das ist auch gut so. Dieses "Paket" st sehr umfangreich und gleichzeitig meist selbsterklärend. So soll ein Selbstverständnis und eine Sicherheit innerhalb des Gemeindelebens im Umgang mit sexualisierter Gewalt entstehen. Der Kodex sieht präventive Maßnahmen zwingend vor und soll im Umgang miteinander bezüglich des Themas sensibilisieren.

Hauptamtliche und Ehrenamtliche, ob jugendlich oder erwachsen, sollten für das Thema geschult werden. Ergänzend gilt die Pflicht zur Abgabe eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses vor dem Einsatz in der Gemeinde inzwischen flächendeckend. Bei dieser Verpflichtung geht es nicht um den Ausspruch eines Generalverdachts, sondern um ein Selbstverständnis im Umgang mit sexualisierter Gewalt. Nur ein klarer Verhaltenskodex kann dazu führen, dass Gefährdungssituationen gar nicht erst entstehen können. In regelmäßigen Abständen finden kostenfreie Schulungen zum Thema statt für Mitarbeitende im Gemeindeleben. Ich kann die Teilnahme nur empfehlen.

Meine Aufgaben dabei: Koordination von Präventionsmaßnahmen innerhalb der Gemeinde Ansprechpartnerin zum Thema sexualisierte Gewalt in der Gemeinde Ansprechpartnerin , wenn Gemeindemitglieder oder Mitarbeitende Fragen zum Thema haben. Einschätzung von Situationen, möglichst im Vorfeld. Dabei gilt: Lieber einmal zu viel eine ( vermeintlich doofe) Frage stellen als hinterher denken, ach hätte ich doch nur... Verschwiegenheit als Ansprechpartnerin ist dabei selbstverständlich, der Schutz von potenziellen Opfern oberstes Gebot.

Stefanie Herfurth-Schmidt